Ostersonntag
Auferstehung!
Auferstehung – was für ein geheimnisvolles, verstörendes, aber auch tröstliches Wort! Die zentrale christliche Glaubensaussage von der Auferstehung überschreitet unsere menschliche Vorstellungskraft wie wohl keine andere Geschichte der Bibel.
Der christliche Glaube versteht Auferstehung nicht als eine Wiederbelebung des Leichnams, sondern vielmehr, dass sich nach dem Tod das entfalten und verwirklichen kann, was sich im Laufe eines Lebens an Erfahrungen und persönlicher Identität angesammelt hat. All die positiven und negativen Erfahrungen, die einen Menschen geformt und geprägt haben, werden geheilt, verwandelt und vervollkommnet. Bei Gott kann der Mensch heil werden, ganz werden: „Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen. Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen.“ (Offb, 21,4)
Das Osterfest ist ein Bild unserer ganzen Existenz, die von Leid, Schuld, Tod und Leben durchfurcht ist. Es gibt keinen Ostersonntag ohne Karfreitag, keine Auferstehung ohne Leid. Die drei österlichen Tage bilden eine Sequenz, einen Pilgerweg von der Hoffnungslosigkeit ins Vertrauen. Und mehr noch: Gott verspricht ein „Leben in Fülle“ – das ist ein Stück der „unverschämten Freiheit der Kinder Gottes“ wie Jesus sie lehrt, wenn er Sünder, Ausgestoßene und Heiden an seinen Tisch bittet. Er tut das nicht, weil er die Sünde nicht sieht, sondern weil Gott größer ist als Sünde, Tod und Leid.
Ostern ist die Botschaft, dass auch das tiefste menschliche Scheitern von einem je noch tiefer greifenden Erbarmen Gottes umfangen ist. Wir können einem mitleidenden und liebenden Gott vertrauen, der sagt: „Ich kann Dich verstehen, denn auch ich bin am Kreuz gescheitert“ (zumindest nach rein menschlichen Maßstäben). Eine „Theologie des Scheiterns“ ist eine zutiefst österliche Theologie: Auferstehung bedeutet, dass Gott auch auf krummen Zeilen gerade schreiben kann! Vertrauen wir ihm!
Voraussetzung für eine solche Sichtweise, für den Auferstehungsglauben ist unser grundsätzlicher Glaube. Aber wozu in unserer Wohlstandsgesellschaft überhaupt glauben? Der Lebensstandard steigt immer mehr, das Licht des Glaubens verblasst immer mehr. Solange es Menschen gut geht, denken sie oft nicht an Gott, warum auch – alles läuft wie am Schnürchen. Aber wenn es einmal schwer wird, nicht alles nach Plan läuft, uns ein Schicksalsschlag trifft oder eine Krise die ganze Welt in Atem hält, wie jetzt die Corona-Krise, fragen wir sofort: „Gott wo bist Du? – Warum lässt Du das zu?“ Eine gewisse Hilflosigkeit ist unter den Menschen dann zu spüren und doch: Gerade im Leid ist mir die Hilflosigkeit des Gottessohnes, der ohnmächtig am Kreuz hängt und unser Schicksal teilt, Trost und Halt. Deshalb glauben!
„Auferstehung“ heißt nicht „Glauben, weil es leicht ist“, sondern „Glauben, weil unser Leben oft so schwer ist“!
Aber dazu müssen wir uns auf den Weg machen, unser Herz dem Auferstandenen öffnen, damit er sich uns offenbaren kann – damals wie heute. Das ist kein leichter Weg, kein geebneter Weg, aber ein sinnerfüllter Weg, der über die Dunkelheit ins Licht führt. Aber wir müssen ihn nicht alleine gehen. Gott ist mit uns. An Gott zu glauben heißt, wie wir es am Karfreitag gehört haben, das tägliche Kreuz auf sich zu nehmen und ihm vertrauensvoll nachzufolgen. Das setzt Liebe und Hoffnung voraus. Wenn wir an Gott glauben können, wissen wir, dass nicht der Tod das letzte Wort hat. Jesus hat für uns den Tod besiegt, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das Ewige Leben hat (Joh,3, 16). So wichtig sind wir für Gott, so wichtig, dass er ganz Mensch wurde, um bei uns zu sein, um an unserem Leben, an Freude und Leid, Anteil zu haben. Was für ein Liebesbeweis! Am Leben eines anderen Menschen Anteil haben zu wollen, aber nicht nur an sonnigen Tagen, auch in schweren und aussichtslosen Stunden - versuchen auch wir das wieder zu praktizieren, nur einem einzigen Menschen zu sagen: „Du bist mir wichtig. Du kannst dich auf mich verlassen. Ich bin für dich da.“ Was für ein Osterversprechen!
Wer das glauben und leben kann, hat den Sinn von Ostern verstanden. Wer das glauben und leben kann, sieht eine hoffnungsvolle Zukunft. Wer das glauben und leben kann, ist wirklich ein erlöster Christ.
Diese österliche Freude, diesen Glauben, diese Liebe und diese Hoffnung wünsche ich uns allen aus ganzem Herzen!
Euer Seelsorger Sebastian