Martins Leben
Über Martin von Tours gibt es eine überwältigende Anzahl an Bilderbüchern, Büchern und Dokumentationen.
Begründer der Biographie von Martin von Tours ist Sulpicius Severus. Der Autor lebte zur selben Zeit wie Martin.
Er beschäftigte sich in seinen Werken intensiv mit Martins Leben, seinen Wundertaten und Legenden und dokumentierte diese sorgfältig in einem seiner Werke namens „Vita sancti Martini“. Nach dem Ableben von Martin von Tours fügte Severus noch sechs Schriftstücke hinzu. Trotz Severus Schrift bleiben bis heute viele Fakten über Martin von Tours ungeklärt, wie zum Beispiel sein vollständiger Name, sein genaues Geburtsjahr und vor allem seine Wundertaten und Legenden (vgl. Kaus 2014, S. 23).
Martins Kindheit
Martin von Tours wurde in der ungarischen Stadt Sabaria, dem heutigen Szombathely, als Sohn einer römischen Soldatenfamilie geboren. Martins Eltern beteten zum Kriegsgott Mars. Aus diesem Glauben heraus benannten ihn seine Eltern „Martinus“ – „Kleiner Mars“ (vgl. Halbfas 1983, S. 100; vgl. Severus 2010, S. 13).
Sein Geburtsjahr ist bis heute nicht eindeutig belegt. Severus gibt in seinem Werk keine konkreten Jahreszahlen an. Er dokumentiert lediglich das Alter des Heiligen zu den jeweiligen Geschehnissen. Der Grund, warum Severus nur Alterszahlen angab, war möglicherweise der, dass er Abschreibfehler vermeiden wollte.
Nach Kaus wurde Martin von Tours im Jahre 336 geboren. In vielen biographischen Werken über Martin von Tours sind Geburtszahlen wie 316 oder 317 zu finden. Im Laufe der Jahre hat sich die Zahl 316, aus welchen Gründen auch immer, etabliert. Deshalb feiern wir im heurigen Jahr 2016 auch den 1.700sten Geburtstag des Heiligen Martin von Tours.
Martins Vater war ein sehr angesehener Militärtribun. Während Martins Kindheit wurde er nach Ticinum versetzt. Martin wuchs also in Oberitalien auf. Bereits dort wurde Martins Neugierde zum Christentum und zu Jesus durch Erzählungen seines Umfelds geweckt (vgl. Severus 2010; S. 10).
Martin als Soldat und Offizier
Mit 15 Jahren hatte Martin das Privileg, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, und wurde Soldat. Schon bald wurde Martins Talent als Soldat sichtbar, und er wurde zum Offizier ernannt. Als Offizier hatte Martin nun auch das Vorrecht, einen persönlichen Diener zu haben. Jedoch anstatt sich bedienen zu lassen, vertauschte er die Rollen und diente dem Sklaven.
Mit solchen und ähnlichen Handlungen machte sich Martin schnell zur Lachfigur bei seinen Mitsoldaten. Aber unter ihnen waren auch Männer, die dies sehr beeindruckend fanden, weshalb Martin auch sehr beliebt war. Er beschenkte die armen Menschen mit seiner Kleidung, gab ihnen sein Essen, und auch sein Geld verteilte er unter den Armen und Kranken. Lediglich das Nötigste behielt Martin, um selbst überlebensfähig zu sein (vgl. Severus 2010, S 15).
In dieser Zeit passierte die berühmteste Legende des Heiligen Martin von Tours, nämlich die Mantelteilung.
„Während eines außerordentlich kalten Winters begegnete Martin ganz unerwartet am Stadttor von Amiens einem halbnackten Bettler, der, beinahe erstarrt vor eisiger Kälte, die Vorübergehenden um Erbarmen anflehte. Doch keiner achtete seiner; sie alle gingen teilnahmslos an ihm vorüber, wie der Priester und Levit im Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Der von der Welt verachtete Bettler ist eine bedeutsame Gestalt, über die sich die Christen gewöhnlich zu wenig Rechenschaft geben. Nun aber kam Martin daher und sah den Bettler […]. Martin war überzeugt davon, Gott habe absichtlich diese arme Kreatur für ihn aufbewahrt. Spontan griff er nach seiner Börse und stellte fest, dass sie leer war. Peinlich berührt davon, dem frierenden Bettler keine Almosen geben zu können, stand er still, zog kurz entschlossen sein Schwert und schnitt seinen Soldatenmantel mitten entzwei. Es war ein einzigartiger Schwertstreich, wie ihn kein anderer Soldat zuvor je getan hatte. Dann gab er die eine Hälfte dem Armen, und in die andere hüllte er sich ein“ (Nigg 1977, S. 19).
Diese Szene wurde unzählige Male nachgestellt. So entstanden mehrere Bilder dieser Handlung. Drei dieser Darstellungen haben sich in den letzten Jahrhunderten durchgesetzt: Eine davon zeigt Martin ohne Pferd – also zu Fuß unterwegs. Die zweite Möglichkeit wäre Martin mit dem Bettler und einem Pferd. Jedoch steht Martin neben dem Pferd – er ist davon abgestiegen. Eine letzte Variante zeigt den Bettler und Martin vor dem Stadttor von Amiens auf einem Pferd. Forscher sind sich bis heute nicht einig, wie sich die Heldentat wirklich zugetragen hatte. Dennoch sind viele davon überzeugt, dass sich die Szene, wie auf der Abbildung 1a zu sehen, zugetragen haben muss (vgl. Halbfas 1983, S. 104).
Kaus zitiert Severus aus seinem Werk „Vita sancti Martini“ und bezeichnet den Bettler vor dem Stadttor als „nackten Armen“ (Kaus 2014, S. 32). Die Vielfalt der verschiedenen Exemplare zeigt den Bettler angezogen, spärlich bekleidet oder ohne jeden Fetzen. Andere Bilder zeigen den Bettler als beeinträchtigten Menschen mit Krücken, wie es auch auf der Abbildung b zu sehen ist (vgl. Kaus 2014, S. 32).
Ganz gleich, ob Martin mit oder ohne Pferd dem Bettler gnädig war, nach diesem Ereignis erntete er viel Gespött und Verachtung von seinen Mitmenschen. Heute gilt er dank dieser Tat der Menschheit als großes Vorbild (vgl. Nigg 1977, S. 20).
Martin als Christ und Kriegsverweigerer
Nach Martins Tat der Barmherzigkeit diente er noch zwei weitere Jahre Kaiser
Julian. Mit 18 Jahren erhielt Martin die Taufe, nachdem er bereits einige Jahre zuvor als „Katechumene“ (Severus 2010, S. 13) den Taufunterricht besuchte (vgl. Drouve 2011, S.18).
Das Ende seines Wehrdienstes war gekommen, als Kaiser Julian seine Truppen versammeln ließ, um gegen die Germanen zu kämpfen. Zum Anreiz für den bevorstehenden Kampf verteilte er kleine Präsente an die Soldaten. Als Martin an der Reihe war, ergriff er die Möglichkeit, seinen Wunsch, die Waffen niederzulegen, zu äußern. Er verweigerte den Kriegsdienst mit den Worten (vgl. Nigg 1977, S. 21):
„Wenn dies[e Weigerung] meiner Feigheit, nicht meinem Glauben zugeschrieben wird, will ich mich am morgigen Tag unbewaffnet vor die Schlachtreihe stellen und im Namen des Herren Jesu, vom Kreuzeszeichen statt von Schild oder Helm geschützt, furchtlos in die feindlichen Formationen eindringen“ (Severus 2010, S. 19).
Damit Martin auch sein Wort hielt, sperrte der Kaiser Martin in eine Zelle. Aber die Handlung nahm eine überraschende Wende, denn die Germanen ergaben sich am nächsten Tag kampflos, und so wurde Martin aus der Armee in Worms entlassen (vgl. Drouve 2011, S. 18f).
Martin als Einsiedler und Priester
Nach der Kriegsdienstverweigerung stattete Martin dem damaligen Bischof Hilarius von Poitiers einen Besuch ab. Bei ihm lernte er mehr über das Christentum und beschloss, in seinen Geburtsort nach Ungarn zurückzukehren und seine Eltern zu besuchen. Dort angelangt, überzeugte Martin seine Mutter vom christlichen Glauben. Sein Vater bekannte sich zum Heidentum und wollte Martins Bekenntnis nicht akzeptieren. Martin musste seine Heimat wieder verlassen und zog in Richtung Mailand, um sich dort niederzulassen. Dort stieß er auf den Arianismus, der sich im vierten Jahrhundert verbreitete, und musste auch vor den Arianern fliehen. Diese Glaubensgruppe verfolgte alle Christen im und rund um das römische Reich. Die Christenverfolgung des vierten Jahrhunderts wurde von Kaiser Julian Apostata beanstandet (vgl. Pastoralamt und Katholische Aktion der Diözese Eisenstadt 2016, S. 8). So beschloss Martin, sich auf eine einsame Insel in Gallinaria zurückzuziehen (vgl. Drouve 2011, S. 20f).
Nach Severus lebte Martin dort eine Zeit lang mit einem Priester als Eremit und ernährte sich lediglich von den Gaben der Natur (vgl. Severus 2010, S. 25).
Währenddessen wurde Bischof Hilarius vom Kaiser begnadigt und reiste nach Poitiers. Martin verließ umgehend die einsame Insel und machte sich ebenfalls auf den Weg nach Poitiers, als ihn diese Information erreichte. Martin beschloss, sich von Bischof Hilarius zum Priester weihen zu lassen, und errichtete sich in der Nähe von Poitiers ein kleines bescheidenes Heim (vgl. Drouve 2011, S. 21). Nach und nach schlossen sich immer mehr Menschen an und wollten so leben und handeln, wie Martin es tat (vgl. Drouve 2011, S. 21).
Eine Legende, die auch im Meisterwerk von Severus vorkommt, erzählt vom Sterben Bischof Hilarius an hohem Fieber. Martin erfährt davon und schließt sich aus Trauer und Verzweiflung mit dem Leichnam in ein Zimmer ein. Flehend betete Martin zu Gott um die Wiedererweckung des so gütigen Bischofs. So geschah es auch (vgl. Severus 2010, S. 27; Becker-Huberti 2004, S. 23f). In allen anderen für diese Arbeit benutzten Quellen starb der Bischof aufgrund des hohen Fiebers, und ein neuer Bischof wurde gesucht.
Martin, Bischof von Tours
Die Stadt Tours suchte einen neuen Bischof, nachdem der alte verstorben war. Martin war zu dieser Zeit wegen seiner Barmherzigkeit, Hilfsbereitschaft und Wundertaten sehr bekannt und in der Bevölkerung ein sehr gern gesehener Mann. Die Menschen von Tours wollten Martin für das ausgeschriebene Bischofsamt überzeugen. Martin hingegen sah sich für diesen Posten nicht würdig (vgl. Drouve 2011, S. 22).
Es gibt zwei Geschichten davon, wie Martin Bischof wurde. Eine erzählt davon, dass Martin sich im Gänsestall versteckte, weil er nicht wollte, dass ihn die Menschen, die ihn als Bischof auserkoren, finden. Die Gänse aber schnatterten so laut, dass sie Martin fanden und er so der neue Bischof wurde (vgl. Nigg 1977, S. 30). Diese Erzählung gilt als Legende und wird im Unterkapitel „Martin und die Gänse“ näher beschrieben.
Im Schriftgut von Severus wurde die Abhandlung, wie Martin zum Bischof geweiht wurde, als Listtat beschrieben. Die Menschen wussten, dass Martin seine Behausung nicht ohne wichtigen Grund verlassen würde. Aus diesem Anlass riefen sie Martin zu einem Notfall, welcher ein Vorwand dafür war, damit er seine Stube verlässt. Die Menschen führten Martin in die Stadt Tours, um ihn zum Bischofsamt anzumelden. Martin konnte daraufhin den Wunsch der Menschenmenge nicht abschlagen und wurde so zum „dritten Bischof von Tours“ (Kaus 2014, S. 46) ernannt. Bescheiden wie Martin war, verweigerte er jeglichen Ruhm und Luxus. Er hauste weiterhin in seinem ärmlichen Häuschen. Als ihm der Rummel um ihn zu groß wurde, baute er sich eine kleine Zelle an der Loire. Martin lebte weiterhin mit den nötigsten Mitteln, die er zum Leben benötigte, und verteilte den Rest an die armen und kranken Menschen (vgl. Drouve 2011, S. 24f).
Während seiner Amtszeit als Bischof unternahm Martin zahlreiche Missionarsreisen. Er besuchte „Paris, Nîmes, Sens, Chartres oder Trier“ (Drouve 2011, S. 27). Seine Reisen bewältigte er auf einem Esel oder zu Fuß (vgl. Drouve 2011, S. 27).
Martins Tod
Martin war auf einer seiner Missionarsreisen in Candes unterwegs, als er schreckliches Fieber bekam. Er spürte, dass nun das Ende nicht mehr weit sei. Auf bloßer Asche liegend, ließ er seine Kameraden zusammenrufen, um sie über die Nachricht zu informieren (vgl. Drouve 2011, S. 29).
„Martin starb am 8. November 397“ (Drouve 2011, S.30) in Candes. Sein Leichnam wurde nach Tours, wo er Bischof war, gebracht, um ihm dort die letzte Ehre zu erweisen. Die Anteilnahme an seiner Bestattung war sehr groß. Viele Menschen und Mönche begleiteten Martin am 11. November 397 zu seiner letzten Ruhestätte (vgl. Drouve 2011, S. 30; Nigg 1977, S. 46).
Nach Angaben von Kaus vollendete Martin von Tours seinen Lebensweg im 62. Lebensjahr (vgl. Kaus 2014, S. 59). Wieder andere Dokumentationen beschreiben Martins Alter mit ungefähr 80 Lebensjahren (vgl. Nigg 1977, S. 45).
Lisa Maria Wukitsevits